Modul 5c: Ergebnisse aus dem PaedBez-Projekt I: Pädagogische Beziehungsqualitäten unter Einbezug digitaler Medien
In diesem Modul-Block werden ausgewählte Forschungsergebnisse aus dem Verbundprojekt „Pädagogische Beziehungen in digital unterstützten Bildungsprozessen“ (PaedBez) vorgestellt. Dieses Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Laufzeit: 2020-2023).
Im Forschungsprojekt PaedBez sind wir der Frage nachgegangen, wie sich pädagogische Beziehungen in Bildungsprozessen verändern, wenn digitale Medien systematisch zum Einsatz kommen. Außerdem haben wir Faktoren identifiziert, die eine wertschätzende Beziehungsgestaltung in digitalen Lernsettings fördern. Dazu haben wir verschiedene Teilstudien durchgeführt (Unterrichtsbeobachtungen, Online-Befragungen, situative Befragung als SMS-Studie und Leitfadeninterviews). Hier, im fünften Modul, werden wir Ergebnisse zu den Unterrichtsbeobachtungen und zu den Leitfadeninterviews vorstellen. Als Einstieg können Sie ein Video ansehen, um vor dem Lesen einen ersten Einblick über unsere Studienergebnisse zu bekommen.
Unterrichtsbeobachtungen: Von anerkennend bis missachtend – Die Qualität von pädagogischen Beziehungen in digitalen Lernprozessen
Um zu analysieren, inwiefern sich die pädagogischen Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden in digitalen Bildungsprozessen in ihrer Qualität unterscheiden, haben wir im Herbst 2021 qualitative Unterrichtsbeobachtungen an vier Schulen in drei Bundesländern durchgeführt. Dabei beobachteten Mitglieder unseres Forschungsteams „still“ den Unterricht und protokollierten alle Interaktionen zwischen Lehrkräften und Schüler_innen, bei denen digitale Medien zum Einsatz kamen. Zusätzlich wurde eine große Anzahl an Unterrichtsvideos aus Forschungsdatenbanken sekundäranalytisch ausgewertet. So konnten insgesamt 2.705 Interaktionsszenen erfasst werden, bei denen digitale Medien in der pädagogischen Beziehungsgestaltung eine Rolle spielten. Diese stammen aus 202 Unterrichtsprotokollen, wobei die einzelnen Szenen zwischen 0,5 und 20 Minuten lang waren. Dabei sind alle allgemeinbildenden Schulformen der Schulstufen 1 bis 13 Bestandteil des Materials.
Die identifizierten Unterrichtsszenen wurden im Anschluss qualitativ ausgewertet. Dabei wurde die Qualität der Interaktionen erfasst, wobei wir anerkennende (wertschätzende), neutrale, missachtende und ambivalente (verletzende) Interaktionen unterschieden haben (siehe Tabelle).
Die Ergebnisse über alle Unterrichtsszenen hinweg zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Begegnungen als positiv, d.h. mit einer neutralen, leicht oder sehr anerkennenden Beziehungsqualität beschrieben werden kann. Nur etwa jede siebte Interaktion fällt in die Kategorie der negativ geprägten Interaktionen mit einer ambivalenten, leicht oder sehr missachtenden Beziehungsqualität (siehe Diagramm).
Außerdem haben die Beobachtungen ergeben, dass beim Einsatz digitaler Medien die Qualität der pädagogischen Beziehung auch damit einhergeht, wie fundiert der Unterricht (medien-)didaktisch vorbereitet wird. Bei strukturierten und durchdachten Unterrichtsvorbereitungen (z. B. mit ausgewählten digitalen Lern-Apps), wurden tendenziell positive Interaktionen aus der Beobachter_innen-Rolle wahrgenommen. Hier drei Fallbeispiele aus dem Datensatz:
“Die Lehrkraft nutzt Classcraft, ein als Rollenspiel gestaltetes Lernmanagement-System (LMS). Sie verwendet die Plattform, um die Interaktion und Motivation von Schüler_innen zu fördern, indem den Lernenden die Möglichkeit gegeben wird, in einer sicheren, virtuellen Umgebung zusammenzuarbeiten und miteinander zu kommunizieren.” (Beobachtete Szene, 6. Schulstufe, Förderschule, Englisch)
“Die Lernenden sollen auf der schuleigenen Cloud das Quiz „Teste dein Wissen“ auf dem Tablet lösen. Sie können zwischen Varianten wählen, die sich im Schwierigkeitsgrad unterscheiden.“
(Beobachtete Szene, 8. Schulstufe, Sekundarschule, Deutsch)
“Die Lehrperson ruft eine Schülerin auf, um ihren Rechenweg darzustellen. Die Lehrperson schreibt die Antworten am Tablet mit, damit die Mitschüler_innen die Rechenschritte am Smartboard sehen und somit besser nachvollziehen können.“
(Beobachtete Szene, 10. Schulstufe, Sekundarschule, Französisch)
Ist die Unterrichtseinheit nicht auf die vorhandene Ausstattung mit digitalen Medien ausgerichtet oder nicht an die jeweilige Lerngruppe angepasst, kann die pädagogische Beziehungsqualität eingeschränkt sein, wie folgende zwei Beispiele aus dem Datensatz zeigen:
“Die Lehrperson kündigt an, dass nun ein Kahoot!-Quiz gespielt wird und Pluspunkte gewonnen werden können. Die Tablets werden ausgeteilt. Es herrscht große Vorfreude bei den Schüler_innen. Plötzlich wird es unruhig, weil nicht genügend Tablets vorhanden sind. Das Quiz wird auf einen anderen Tag verschoben. Frustration ist bei vielen bemerkbar.”
(Beobachtete Szene, 7. Schulstufe, Gymnasium, Deutsch)
“Die Lehrperson möchte die Schüler_innen mit einem spontanen Online-Quiz motivieren. Viele können die schweren Fragen auf dem Smartphone nicht lösen. Die Lehrkraft schaut schockiert auf die falschen Antworten und sagt frustriert: ‚Ich sehe schon, wir werden viel Spaß haben.‘”
(Beobachtete Szene, 10. Schulstufe, Gymnasium, Mathematik)
Insgesamt haben wir im Rahmen der Unterrichtsbeobachtungen sowohl positive als auch negative Tendenzen bei der Arbeit mit digitalen Medien hinsichtlich der pädagogischen Beziehungsgestaltung identifiziert. Deshalb empfehlen wir, dass Pädagog_innen sorgfältig abwägen und entscheiden, wie sie digitale Medien in ihrer pädagogischen Arbeit sinnvoll einsetzen können. Dazu haben wir Handlungsempfehlungen für pädagogisch tätige Personen, welche im Kontext Schule tätig sind, entwickelt.
Aufgabe: Bitte lesen Sie die Handlungsempfehlungen zur digitalen Beziehungsgestaltung aus dem PaedBez-Forschungsprojekt und beantworten Sie danach die dazugehörige Frage:
Download der PaedBez-Handlungsempfehlungen
Da sich unser Forschungsprojekt vorwiegend mit dem schulischen Kontext auseinandergesetzt hat, beziehen sich auch die Handlungsempfehlungen auf diesen Kontext. Wir haben darum zwei verschiedene Fragen formuliert – wählen Sie gerne diejenige aus, die am besten auf Sie zutrifft.
Frage zu den Handlungsempfehlungen:
- Wenn Sie sich für schulische Kontexte interessieren: Welche drei Handlungsempfehlungen sind aus Ihrer Sicht für Ihre pädagogische Arbeit besonders wertvoll und warum?
- Wenn Sie sich für andere pädagogische Felder interessieren: Gibt es Empfehlungen, die auch für Ihr Feld bedeutsam sind und wenn ja, welche?
Hier geht es weiter zu Modul 5d: Ergebnisse aus dem PaedBez-Projekt II: Pädagogische Beziehungsqualitäten unter Einbezug digitaler Medien