100 Jahre Grundschule – Perspektive von Kindern und Jugendlichen
(Beitrag von Julian Storck-Odabasi und Schüler_innen der Schule Jungfernkopf in Kassel)
Vor einhundert Jahren wurde die deutsche Grundschule durch die Weimarer Nationalversammlung begründet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach in diesem Zusammenhang von einer „demokratische[n] Revolution […] in der Schulpolitik“ (Steinmeier 2019). Zum ersten Mal sollten alle Kinder eines Jahrgangs gemeinsam lernen, unabhängig von ihrer Herkunft. Auch eine Vielzahl an Zeitschriftenbeiträgen widmet sich diesem historischen Ereignis, wobei unter anderem die Frage danach gestellt wird, ob das Gründungsversprechen eine „Schule für alle Kinder“ zu sein als erfüllt gelten kann (Götz u.a. 2019; Grundschulverband 2019). Bei dieser Vielzahl an Stimmen kamen bislang jedoch diejenigen kaum zu Wort, die eigentlich im Zentrum des Interesses stehen bzw. stehen sollten: die Schüler_innen.
Um zumindest explorativ Perspektiven aus der Generation einzufangen, die heute tagtäglich die Grundschule besucht, wurden drei Fragen an Drittklässler_innen der Schule Jungfernkopf aus Kassel gestellt. Dabei ging es darum eine Verbindung zum hundertjährigen Jubiläum herstellen zu können und zugleich eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Aspekten der Grundschule zu ermöglichen. Die Fragen lauteten:
- Die Grundschule gibt es jetzt seit 100 Jahren. Was denkst du, wenn du das hörst?
- Was gefällt dir an der Grundschule, so wie sie heute ist? Was gefällt dir nicht?
- Was würdest du an der Grundschule ändern, wenn du das entscheiden könntest?
Innerhalb von jeweils nur einer Schulstunde, notierten die Schülerinnen und Schüler eine Vielzahl an Antworten. Eine um Exemplarität bemühte Auswahl derselben wird nachfolgend wiedergegeben und vonseiten des Autors dieses Kommentars nicht weiter interpretiert. Lediglich grammatikalische Anpassungen wurden vorgenommen, um den Fokus auf Inhalte und nicht auf Fragen der Rechtschreibung zu lenken. Damit soll den Leserinnen und Lesern, sprich Ihnen, die Gelegenheit gegeben werden eigenständig über die verschiedenen Positionen und mögliche Anknüpfungspunkte nachzudenken. Ob man aus Ihnen beispielsweise Ideen für das historische Lernen im Sachunterricht, für ergebnisoffene Schreibanlässe oder partizipative Formate in Schule ableiten möchte, soll hier bewusst offenbleiben. Nur so viel sei zum letzten Aspekt gesagt: Gerade in den Beiträgen der Schülerinnen und Schüler zu zeitgenössischen Herausforderungen (Frage 2 und 3) finden sich viele Themen wieder, die ähnlich auch im ‚Erwachsenendiskurs‘ verhandelt werden (Bsp.: Abschaffung der Hausaufgaben).
Aus einer kritischen Perspektive heraus lässt sich auch deshalb fragen, warum die Partizipation von Kindern nicht stets auch ihre Einbeziehung in sämtliche Fragen der Schulpädagogik und Bildungspolitik umfasst bzw. wie ihr Ausschluss ethisch zu rechtfertigen ist, wenn sie doch selbst betroffen und offensichtig dazu in der Lage sind, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Die Grundschule gibt es jetzt seit 100 Jahren. Was denkst du, wenn du das hörst?
- Das habe ich schon gewusst. Dass man da so viel lernt finde ich toll.
- Ich wusste das nicht.
- Ich habe gedacht, die Grundschule gibt es schon länger.
- Ich dachte die Grundschule wäre viel jünger.
- Ich habe gedacht, dass es die Grundschule erst 50 Jahre gibt. Ich finde es toll, dass es die Grundschulen schon so lange gibt.
- Ich dachte, dass es die Grundschule schon 500 Jahre gibt.
- Ich finde, dass es viel mehr Kinder sind toll, so wie früher. Die Schule ist sehr alt, das kann ich gar nicht glauben.
- Die Schule ist alt. Sie sah bestimmt komisch aus. Es war bestimmt schwierig, wenn die Schulen klein waren und es viele Kinder gab.
- Wenn die Kinder mit einem Schlagstock gehauen werden ist das blöd.
- Die Kinder wurden gehauen und es war bestimmt sehr eng. Bestimmt waren die Lehrer sehr streng.
- Dass es die Grundschule seit 100 gibt, das ist cool. Und dass Lehrerinnen viel netter sind.
- Ich finde gut, dass es diese Schule gibt, weil die Lehrer und Lehrerinnen genau richtig sind.
- Ich finde die Grundschule sehr alt und ich finde das cool.
- Ich finde, dass die Grundschule schon sehr alt ist. Und dass sie jetzt viel schöner ist als vor 100 Jahren.
Was gefällt dir an der Grundschule, so wie sie heute ist? Was gefällt dir nicht?
- Meine Schule ist sehr gut. Wir haben nette Lehrerinnen aber auch strenge Lehrerinnen. Aber das Doofe ist, wenn dich Kinder ärgern.
- Mir gefällt gut, dass wir öfters Filme gucken. Blöd finde ich, dass wir nur in der Frühstückspause essen dürfen.
- Ich finde heute an der Grundschule gut, dass es jetzt viele Computer in der Schule gibt. Dann können wir Antolin spielen.
- Ich finde es toll, dass man hier viel lernt und dass man hier viele Freunde finden kann. Ich finde es blöd, dass man viele Hausaufgaben aufkriegt und dass die Pausen so kurz sind.
- Dass man Arbeiten schreiben muss finde ich nicht so toll und dass man mit einem Rohrstock geschlagen wurde.
- Mir gefällt, dass die Grundschule einen Pausenhof hat. Mir gefällt es nicht, dass früher die Kinder geschlagen wurden.
- Ich finde gut, dass die Lehrer nicht mehr mit einem Stock die Kinder schlagen dürfen und ich finde blöd, dass die Pausen immer so kurz sind.
- Ich finde es toll, dass die Grundschule so groß ist. Ich finde es doof, dass die Toiletten so dreckig sind.
- Mir gefällt nicht, dass die Toiletten ständig spinnen und dass es ständig heiß ist.
- Ich finde es gut, dass man nicht alleine lernt und ich finde es schlecht, dass es auf manche Sachen wie zum Beispiel Kunst Noten gibt. Ich mag zwar keine Hausaufgaben aber ich finde gut, dass es sie gibt.
- Ich finde gut, dass es Pausen gibt, damit man sich erholen kann. Aber ich finde nicht gut, dass man, wenn man zum Sportunterricht geht, dann meistens nur eine halbe Stunde hat, weil alle Kinder sehr langsam sind und dass unsere Lehrerin manchmal streng ist.
- Ich finde es toll, dass die Kinder in verschiedene Klassen gehen. Ich finde es aber nicht so toll, dass manche Kinder den Unterricht stören.
- Ich finde nicht gut, dass ich um 06:00 Uhr aufstehen muss.
- Mir gefällt es nicht so, dass die Lehrerinnen manchmal nicht das sind, weil man dann Vertretungen kriegt, die es dann anders machen und ich es dann nicht so gut verstehe.
- An der Schule finde ich nur gut, wenn man keine Hausaufgaben hat. Ich finde alles doof!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
- Mir gefällt nicht gut, dass viele von meinen Freunden in anderen Klassen sind und ich deshalb nicht weiß ob ich mit ihnen spielen kann.
- Ich finde alles gut. Dass was ich nicht gut finde: so wenig Hausaufgaben.
- Wir spielen und wir lernen viele Sachen und unsere Lehrerin ist manchmal wütend.
Was würdest du an der Grundschule ändern, wenn du das entscheiden könntest?
- Ich finde man muss nichts ändern, weil sie so gut ist wie sie ist.
- Dass alles so bleibt wie jetzt. Außer es soll saubere Toiletten geben.
- Saubere Klos, weniger Gestreite, ein bisschen mehr Pause, besser auf Regenpausen achten
- Dass es mehr Ausflüge gibt, längere Pausen, eine Alarmanlage, wenn man nicht spült, nur eine Nummer von einer Seite als Hausaufgabe, saubere Toiletten.
- Dass es mehr Spielstunden gibt. Das es 1. bis 13. Klasse gibt und dass es das Essen in der Schule gibt und dass es in der Schule ganz tolle Stunden gibt.
- Länger Zeit zum Frühstücken und keine Hausaufgaben.
- Es soll längere Pausen geben und mehr Sportstunden.
- Wenn ich was an der Schule ändern könnte, würde ich sagen, dass die Schule einen Fahrstuhl hat und dass es mehr Spielsachen gibt. Und dass die Schule größer sein soll. Und dass man in der dritten und vierten Klasse vier Stunden hätte.
- Ich würde niemandem Hausaufgaben geben. Ich würde genauso viele Jungs wie Mädchen in der Klasse haben wollen.
- Keine Hausaufgaben mehr und einen Raum mit Mädchen und der andere mit Jungs und jeden Tag bis auf das Wochenende nur vier Stunden.
- Dass wir Spielstunden haben. Und dass wir nicht so viele Hausaufgaben haben. Und mehr Spielzeug für draußen. Und nette Lehrerinnen.
- Dass man sich in der Pause Süßigkeiten kaufen kann.
- Ich möchte, dass die Pausen länger sind und dass wir keine Hausaufgaben mehr haben. Weil man dann länger spielen kann und dass man sich hinsetzen kann wo man will.
- Die Pause um 30 Minuten verlängern und in der Pause im Haus bleiben können und immer um 11:00 Uhr Schulschluss und der Anfang von der Schule ist um 09:00 Uhr! Und bei uns ist immer grüne Scheibe!!! (grüne Scheibe ist ein Zeichen, das man Fußball spielen kann, auf den Rasen darf und aufs Klettergerüst)
- Dass die Schule abgerissen wird und dass wir dann Millionäre sind.
Literatur
- Götz, M. / Breidenstein, G. / Fölling-Albers, M. / Hartinger, A. / Heinzel, F. / Kammermeyer, G / Vogt, M. (Hrsg.) (2019): 100 Jahre Grundschule: Grundlegende Bildung für alle? Zeitschrift für Grundschulforschung, 12 (2).
- Grundschulverband (Hrsg.) (2019). 100 Jahre Grundschule: Ein Grund zum Feiern? Grundschule aktuell, 146.
- Steinmeier, F.-W. (2019). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeierbeim Festakt “100 Jahre Grundschule” zur Eröffnung des Bundesgrundschulkongresses “Kinder Lernen Zukunft”am 13. September 2019in Frankfurt am Main. Online unter: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Downloads/DE/Reden/2019/09/190913-Grundschule-100-Jahre.pdf;jsessionid=16C7492FDCBAE000786AC5E02D1FF87B.2_cid387?__blob=publicationFile (Abrufdatum: 30.09.2019)