(von Dieter Rüttimann, 25.3.23) Mauro, ein zwölfjähriger Junge, trägt nicht nur die besten Markenartikel, seine Dächlikappe kostet schlappe 300 Euro, er tritt auch so auf – mit einem überaus gesunden Selbstbewusstsein. Ermahnungen der Lehrpersonen sind eher Leistungsausweise und werden selten als Kritik aufgefasst.

Eines Tages steckt sich Mauro während des Unterrichts ein Marshmallow in den Mund und beginnt mit möglichst wenig veränderter Mimik zu kauen. Ich mache ihn darauf aufmerksam, dass die Regel dies verbiete. Er nickt scheinbar verständnisvoll – zwei Minuten später, schleckt er am nächsten Marshmallow rum. Ich ermahne Mauro ein zweites Mal und teile ihm mit, dass sein Verhalten mich zu ärgern beginne und bitte ihn jetzt aufzuhören, etwas zu essen. Wiederum verständnisvolles Nicken. Keine drei Minuten später ist sein Mund wieder voll: «Du weisst, dass dein Verhalten jetzt eine Konsequenz hat.»

Ich überlege mir, was diese sein könnte. Essen hat schliesslich mit Verdauung zu tun und während der Coronazeit habe ich zusätzlich einmal pro Woche alle WC’s gereinigt. Deshalb teile ich ihm mit, dass er am folgenden Mittwoch mit mir zusammen die WC’s reinigen werde. Seine Reaktion: Demonstrative Coolness, keine für mich sichtbare Veränderung seiner Mimik.

Kurz zeige ich Mauro vor, wie ich es mache und er beginnt selbständig und mit grosser Ernsthaftigkeit die WC’s zu reinigen. Am Schluss fragt er mich, ob ich, als sein Lehrer, die WC’s jede Woche reinigen würde. Als ich bejahe, antwortet er: «Wenn du das als Schulleiter und Lehrer jede Woche machst, dann will ich dir in Zukunft dabei helfen», was er in der Folge einige Wochen bis zum Ende der Coronamassnahmen mit grosser Selbstverständlichkeit macht. Irgend mal etwas später meinte er zu mir: «Dieter, du bist ein richtiger Ehrenmann!»